Rabbiner-Friedmann-Platz

Gestern noch ärgerte ich mich mal wieder maßlos über meine Stubenhockerei. Streifzüge durch die Stadt ohne Anlass habe ich bis jetzt vermieden. Nicht mal mein eigenes Viertel, Leopoldstadt habe ich mich zu erkunden getraut. Über den Karmeliterplatz und den Platz der barmherzigen Brüder habe ich es noch nicht hinausgeschafft. Ach ja, und da gibt es noch die Post, zu der ich im Winter einige Male über Glatteis krakselte, um Weihnachtsgüter zu verschicken oder abzuholen. Heute war es dann mal wieder so weit. Es gab einen Anlass, um endlich einmal wieder eine neue Straße neben meiner eigenen kennenzulernen. Ich musste zum Schuster, lernte die Zirkusgasse und auf meinem Weg ein paar erfreulich deprimierende Schaufenster kennen- Plastik-Mannequins, denen der Asbest oder auch Lack vom Busen und denn abgehackten Armen abblätterte und  ein klavierartiges Instrument, dem die Hälfte der Tasten fehlte. Herrlich, dass dann heute auch noch der große Temperatursturz im April war mit fett Nieselregen, Wind aus was weiß ich für einer Himmelsrichtung, der meinen Billigschirm gleich mal in die umgekehrte Richtung verbog und einem Stadthimmel, dem es ziemlich zum Kotzen geht. Ich bemerkte beim Laufen, dass ich dieses Wetter heute recht angenehm fand, denn das Frühlingsgehabe mancher Leute ist mir in den letzte Tagen so ganz schön auf den Keks gegangen, vor allem dieses betonte Sonnenbrillentragen und Pläneschmieden für Picknicks im Park am Handy in der U-Bahn. Bei meinem Gang zum Schuster also entdeckte ich den Rabbiner-Friedmann-Platz, auf dem ein mickriges Tulpenbeet an der Seite wächst und sonst nur Schotter liegt. Gegenüber gibts ne Tankstelle und sonst glaube ich nur ein paar Dönerbuden. Endlich mal kein Jugendstilgebäude in Wien! Ich beginne mich mit meinem Viertel anzufreunden... Der Schuster ist auch nen netter Mensch glaube ich. Er schliff an einem Schuh und bemerkte mich gar nicht, als ich den Laden betrat. Er hat da aber so einen Spiegel, damit er seine Kunden bemerkt, ohne dass sie ihn anschreien müssen. Aus dem Iran kommt er glaub ich, so zumindest laut Mitbewohnerin. Er wünschte mir bei Geschäftsabschluss "Alles Liebe", was ich herzallerliebst fand. Auf dem Rückweg zurück in die Blumauergasse erinnerte ich mich, ich weiß nicht wieso, an eine Freundin aus der Grundschulzeit. Ihr Vater nannte sie immer "Fröschi", was mir damals schon ziemlich geschmacklos vorkam. Aber er war Bulle, hatte Tatoos und nen Motorrad..der darf sowas natürlich. Mit dieser Freundin schaute ich im Wasserbett ihrer Eltern abends manchmal "Eis am Stil" und ihr Hund namens Foxi legte sich oft noch dazu, um seinen Sabber ganz gemütlich loszuwerden. Als diese Erinnerung zu Ende erinnert war, fand ich in einem Koffer in meinem Zimmer Schoko-Pralinen von Weihnachten...ich hatte sie total vergessen. Leider schmeckten sie alt, aber ja, gepasst zum Tag haben sie dann doch irgendwie...

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